Ich denke, dass ich denke …

Auch wenn die folgenden Gedanken erst einmal trivial erscheinen, sie wirklich zu Ende zu denken und erst darin auch zu begreifen, hat mein Fühlen, mein Er-Leben in nur einer gedankenschwangeren Nacht grundlegend verändert. Ich möchte diese Gedanken daher gern mit Euch teilen, auch wenn mir klar ist, dass sie in den klugen Gedanken anderer womöglich als naiv abgestempelt werden und nicht jeden erreichen wollen. „Stay foolish!“, sagte Steve Jobs vor seinem Tod, vielleicht kommt Weisheit eben doch nur zu den Narren, wer weiß.

Wir denken niemals über das nach, was gerade ist. Denken ist das, was stattdessen passiert, während alles einfach weiter passiert – Denken ist eine Meinung über das was gerade passiert ist und das was nun damit passieren soll, und das weiß eigentlich auch jeder. Denken erwächst aus einer Ursächlichkeit, einem vermeintlichen Grund und führt in ein Ziel (von A nach B). Aber wir denken nur über Gedanken nach – über ein Weltbild oder Selbstbild, wir denken das – was ist! – zur Theorie, zur Meinung. Was im Kopf SEIN SOLL, kann schwerlich SEIN und uns berühren. Einfach mal jetzt über etwas nachdenken und dabei achtsam sein, genau beobachten….. &/%$§-+#“!!!?.!(…)° …

Das Denken zieht uns aus dem Hier und Jetzt. Merkt und begreift man nur wenn man achtsam ist. Denken findet entweder in der Vergangenheit statt (du denkst über den Text nach den du gerade gelesen hattest und nurmehr erinnerst, während er aber währenddessen einfach nur weiter vor dir liegt) oder Denken ist die Erwartung einer Zukunft. Das Denken hat nichts mit dem zu tun, was ist. Das, worüber wir nachdenken, ist also niemals die Realität. Je mehr wir denken, desto mehr verlieren wir den Bezug zu dem, was ist. Im schlimmsten Fall entgleiten wir vollständig in diese Parallelwelt der Gedanken, während die Welt gar nichts mehr mit uns macht – wir nichts und niemanden mehr spüren. „Hölle!“

Einer der Gründe warum wir dem Moment, dem Sein entfliehen, ist, weil wir in Gedanken vorher die Sorge in Form einer Vorstellung hatten, was dieses Sein sein könnte. Es gibt im Kopf unzählige Gründe um nicht „SO!“ zu sein. Dort gibt es Gefahren, den Tod und die Vergänglichkeit, Machtlosigkeit und Leid, und damit gibt es die Begierde, anders zu sein. Mit dem Denken glauben wir dem entfliehen zu können – solange ich etwas (sein) will, habe ich das Gefühl von Kontrolle. Jedoch fliehen wir gar nicht vor dem unfassbaren Einfach-Nur-Sein, sondern nur von einem Gedanken in den nächsten, vermeintlich besseren. Jeder Gedanke verspricht uns etwas, stellt etwas in Aussicht. Das einzige Ziel des Kopfes ist aber nicht das Glück und schon gar nicht das tatsächliche „mal Ankommen!“ das er verspricht und sich erdenkt, sondern, eben: das einzige Ziel des Kopfes ist das unentwegte Denken! Nur dazu ist er da. Der Kopf ist ein Problemlöser und kein Glückssucher. Der Ausweg aus einem Problem ist immer nur der Umweg in ein neues, jetzt noch klügeres. Er-Lösung davon ist keine Lösung eines weiteren Problems. Mit dem Denken aufhören zu wollen, ist auch nur ein neuer Gedanke und eine weitere Begierde. Wir begehren das Nichtbegehren – der Versuch anzukommen ist auch nur ein neue Reise im Nirgendwo. Eine kluge Strategie?

Nicht falsch verstehen! – das Denken ist ein wunderbares Werkzeug, mit dem in Leidenschaft schrecklich kreative Dinge vollbracht werden können, wenn wir danach auch in die Handlung finden, dann, wenn sich das Denken wieder als Nurdenken begreift – und nicht als Richter und Henker über ein vermeintliches Schicksal und Welt- und Selbstbild das der Realität entsprechen könnte. In dem Moment, wo das Denken wieder nur zum Denken, zur reinen Abstraktion wird, schlägt das Herz wieder in dem was ist, und es wird berührt – sogar wieder von unseren Gedanken. Und es schlägt vor Unfassbarkeit. Wie früher, als wir noch Kinder waren!

Der Treiber hinter allem Denken ist das Sein-Wollen und die Angst vor einem Sein, das nur im Kopf sein soll, aber nicht in der Gegenwart IST. Und nach drei Jahren, in denen ich mich bis zum Erbrechen mit diesem Thema auseinandergesetzt habe, bin ich mir sicher, dass hinter allen unseren Begierden etwas (sein) zu wollen, nur die Angst vor der Machtlosigkeit verbirgt, dass alles vergänglich ist. Aber eben auch das ist nicht mehr von Bedeutung, wenn ich nurmehr im Augenblick lebe und mir kein unerfülltes Selbstbild mit langer Geschichte und noch großen Zielen zur Erfüllung zusammen“denke“.

„Wir leiden, weil wir begehren“ (Buddha)
„Das Leben ist Leiden [Dukha]“ (auch Buddha)

Ergo: Leben ist Begehren!

„Aber es gibt auch ein Ende allen Leidens“ (Buddha)

Und so muss es auch ein Ende des Begehrens geben, und das alles andere als Leiden sein. Nirwana und so. *lacht*

Am Ende, so heißt es, kommt die Weisheit nur zu den Narren. „Die, die wissen, die reden nicht. Die, die reden, die wissen nicht. „Das Tao über das man reden (und denken) kann, ist nicht das Tao.“ (Taoismus) „Wer weiß was Brahman ist, der weiß es nicht. Wer es nicht weiß, weiß es.“ (Hinduismus). „Du sollst (kannst) Dir kein Bild von Gott machen.“ (Christentum)

„Stay hungry, stay young, stay foolish, stay curious, and above all, stay humble because just when you think you got all the answers, is the moment when some bitter twist of fate in the universe will remind you that you very much don’t.“ (Tom Hiddleston)

Dazu passend: Podcast Folge 24 – Vom Anehmen und Loslassen vom 22. Juni

[Zum vorherigen Beirag: „Auch ich werde sterben“ vom 27. Juli]