Zombifizierung und Besserbürgertum

Diese ganze Wut und Verbitterung auf allen Seiten, hat doch gerade weder etwas mit Flüchtlingen, noch mit Rassisten zu tun – es ist die Verbitterungen, dass wir selbst einfach nichts mehr fühlen, höchstens noch, wenn wir uns mal wieder richtig aufregen und enttäuscht sein können. Dieses Mitgefühl, von dem ich so oft lese, ist doch nichts als ein Theater des Gewissens. Die, die am lautesten schreien, sind doch viel zu feige geworden, wirklich noch mitzufühlen, was es wirklich bedeutet, wenn da 800 Menschen in einem Boot ertrinken oder bei 40°C im Schatten in braunen Springerstiefeln und Bomberjacken stumpfsinnig rumgröllen müssen, weil sie es einfach nicht besser wissen. Da wäre man erstmal am Boden zerstört und schreibt sicher keine langen Artikel oder Hasstriaden über die, die angeblich nichts mehr empfinden oder vermeintlich nur zu dumm und unpatriotisch sind, um zu begreifen was hier läuft. Warum diese Aufregung auf ALLEN Seiten, warum kein Mitgefühl mit denen, die nichts mehr fühlen können und dem Hass und der Wut verfallen? Schreibt man sich da nicht einfach nur ins Besserbürgertum, solange, bis man glaubt anders zu sein? *** Und der Sommer blendet unterdessen auf dem Computerbildschirm *** Das Mitgefühl über das man schreibt, ist noch lange kein Mitgefühl das man zwangsläufig empfindet. Wo sind die Artikel, wo Journalisten mal über ihre eigene Zombifizierung schreiben, über das Erleben der eigenen Stumpfsinnigkeit und über diese Hoffnung, endlich mal anzukommen, wieder zu fühlen, sich wieder zu spüren im Rausch des Lebens und sich fallen zu lassen. Stattdessen: Weltpolitik und Handywerbung. Was wir brauchen sind Ehrlichkeit und Mut, Menschen die endlich wieder über etwas schreiben mit dem sie sich auch auskennen und das sie selbst erleben: ihre eigene Hilflosigkeit und Überforderung zum Beispiel. Was wir erstmal nicht brauchen, sind 20.000 weitere Artikel zum Geschehen am letzten Ende der Welt. Und was wir auch nicht mehr brauchen, sind Politiker, die ihre Gefühle vermeintlich nur besser – so wie Maschinen und Roboter – verwalten können. Sie können es eben nicht, wenn sie noch ein Mensch sein wollen.

In was für eine traurige Welt muss man sich eingesperrt haben, dass Neid und Mißgunst soviel Platz bekommen.