Hart oder stark?

Es gibt zwei Arten von starken Menschen: Die, die stark sein müssen, – die ihre Einsamkeit, ihre Schwächen und ihre Sehnsucht nach Geborgenheit, Behütung, Aufmerksamkeit, Nähe, Berührung und Liebe unterdrücken, und die das dennoch Selbstbewusstsein nennen. Sie kämpfen sich wie Kindersoldaten durchs Leben; wissen alles irgendwie zu meistern und zu rechtfertigen. Selten klagen sie, sie verstehen und erklären lieber … denn ihr Klagen könnte schnell ein Jammern werden; und nur die Schwachen jammern! Schwäche dulden sie nicht, dabei sehnen sie sich danach. Und dann gibt es die wirklich selbstbewussten Menschen, die stark sind, weil sie gerade diese Anteile in sich erkannt, integriert und damit befriedet haben. Der wirklich starke Mensch trägt keine Waffen und keine Rüstungen aus klugen Gedanken und starken Worten mehr; doch gerade das lässt ihn für andere starke Menschen schnell bedrohlich erscheinen. Am bedrohlichsten scheint sein Schweigen; und seine Tiefe berührt jede verborgene Schwere. Er spiegelt ungeschminkt alles Unterdrückte und jede Sehnsucht zurück. Aber so oft gibt es diese wahrlich selbstbewussten und starken Menschen nicht, die auch ihre Schwächen zu Stärken transformiert haben, die offen sind und die ohne viele Worte die Sprache des Herzens sprechen … man kann ihnen also meist aus dem Weg gehen und mit seinem Ego-Theater bis zur nächsten Krise fortfahren, in der sich die eigentliche Leere wieder offenbaren will. Das schreibe ich nicht aus Überheblichkeit oder Arroganz, sondern ganz einfach, weil ich ein gebranntes Kind bin, und auf die harte Tour lernen musste, dass Verhärtung noch lange keine Stärke ist. Die Härte eines Diamanten macht ihn nur dort kostbar, wo er als Werkzeug „benutzt“ und abgenutzt wird. Wer nur hart ist, ist auch spröde, – fällt er zu Boden, ist er kaputt; also darf er sich niemals fallen lassen! Der tatsächliche Wert eines Diamanten aber misst sich eher an seiner Seltenheit, seiner wundervollen Brillanz, Transparenz und Klarheit, seinem individuellen Farbenspiel … es ist das, was er an den Ecken und Kanten seiner Facetten mit dem Licht macht, das ihn so besonders macht. Man kann durch ihn hindurchschauen, und gleichsam das farbenfrohe Wunder und die Unendlichkeit der Schöpfung erfahren. Dieses Leben will den Menschen nicht hart machen, nein!, er soll stark genug werden, sich vollständig zu öffnen und darin endlich vollkommen er selbst sein. Ist er doch so viel mehr, als er sich überhaupt vorstellen kann.

Der Schlüssel zur Freiheit, in dieser bedingten Welt, in der Freiheit von Umständen und Zielen abhängt, ist nicht großer Erfolg, sondern ist völliges Scheitern. Der Schlüssel zur Liebe ist nicht das Finden des einzig Wahrhaftigen, es ist das Verlieren all des Unwahren, das einen aus der Gegenwärtigkeit reißt. Der Schlüssel zur Erfüllung ist nicht das Stillen von Mangelgefühlen, es ist Geben in Vollkommenheit. Auf eigenen Beinen steht der, der alles andere loslässt. Ganz bei sich ist der, der niemand mehr sein will.