Zwei Wochen auf See

Zwei Wochen auf See und alles rostet. Je edler das Metall, desto edler der Rost. Plane schon eine neue Karriere als Rost- und Salzverkäuferin. Sehe gerade, dass sich meine superrostfreien Notmesser nun auch schon zerstäuben. Sollte ich jemals in einer Leine verfangen sein, und muss mich da rausschneiden – ich tippe ganz stark auf Blutvergiftung, die ich dann beim Versuch davontragen werde.

Na, was ein Humor heute. Dabei rauschen die Wellen doch mit besonders hohen und schicken Schaumkronen nach Südwesten heute. Sollte doch richtig gut drauf sein!? Aber ich hatte eine furchtbare Nacht, und eben schlägt nach dem Rudern die Müdigkeit gewaltig zu. Und doch, ich wollte noch bloggen.

Heute Nacht bin ich gegen 3:15 Uhr aus dem Schlaf gerissen wurden. Und nein, es war diesmal kein Tanker, der mich wie sonst wieder regelmäßig mit seinem AIS Alarm geweckt hat. Ich war also schon reichlich übermüdet. Aber dann, heute Morgen der Gau: Es schrie jemand verzweifelt Hilfe draußen im Windgebrüll – ich bekomme das im Halbschlaf mit. Ach du Sch*****. Im Ersten Moment schießt natürlich das Adrenalin durch Körper. Der Wind kreischt und singt unter den Solarzellen, die Wellen schlagen an Backbord ein, das Ruder klopft und quietscht: Ich war mir sicher, da spielt mir mein Kopf wieder einen Streich. Habe das bestimmt geträumt. Aber ich meine was machst Du in so einer Situation – denkst ja nicht wirklich erst alle Szenarien durch. Also doch raus, angegurtet, mit den Taschenlampen und dem Vollmond bewaffnet in den Wellen gesucht, irgendwie an Deck mit den Beinen verklammert … und immer wieder gelauscht. Und so gering die Reichweite der Lichtkegel war, so sicher war ich mir auch, dass ich das geträumt haben muss, dass mir das Gequietsche wieder unterbewusst etwas induziert hat. Aber da stehe ich dann trotzdem in der Dunkelheit und muss den Adrenalinschub erstmal abarbeiten. Ist schon so eine blöde Sache, auch wenn es absolut unwahrscheinlich war, das Gewissen lässt nicht locker. Könnte ja doch sein dass… Sind ja genug Tanker um mich herum, wer weiß. Und erst Stunden vorher hatte ein Frachter mit dem Namen TIMOR Steuerbord mit CPA (Geringste erwartete Distanz) von 0,4 Seemeilen alarmgeschlagen. Als ich mit meinem Eierkurs um Kurskorrektur bat, zeigte mir das AIS den Frachterstatus als „Gefährlich“ an. Womöglich hing diese Meldung auch noch irgendwo bedeutungslos im Hinterkopf fest und suchte nach einer nutzlosen Synapse zum andocken. Kam also alles zusammen. Viel geschlafen habe ich dann nicht mehr. Es schlug dann auch im Zweiminutentakt wieder eine Welle ein, und ich habe den Rest der Nacht die Bilge draußen ausgepumpt, um nicht noch zusätzlichen Ballast mitzuschleppen oder sinnfrei in der Kabine herumzurollen.

Der Himmel ist immer noch reichlich bedeckt tagsüber, doch ist es auch recht frisch und vor allem nass, so dass ich in der Offshore Kleidung rudere. Die Augen werden langsam besser, habe das richtige Mittelchen gefunden. Sehe wieder wie ein junger Maulwurf. Nun fangen die Hände wieder an: Die Haut trocknet vom Salzwasser extrem aus, reißt wieder auf. Also neue Baustelle.

Bin eigentlich guter Dinge – auch wenn es sich sicher nicht so ganz heute danach anhört. Singe viel und lache, aber ärgere mich just auch über viele Kleinigkeiten, zum Beispiel darüber, dass ich den Senf wieder ausgepackt hatte. Ohhhhhhh Senf … Senf, Senf, Senf … ohhh Senf … was muss das lecker sein!

Jetzt lade ich noch mein Gute-Laune Foto hoch, sichere das Boot und falle mit dem Sandmann in den Schlafsack. Schlaf … ohhhh Schlaf … was muss das schön sein! Vielleicht träume ich ja mal zur Abwechslung wieder von einer Tube Senf heute. Ach, wenn Ihr wüsstest was ich alles hier noch träume … unglaublich romantisch, spektakulär – eine Sinfonie im Schlafsack. Gestern Nacht das war dann halt ein Ausrutscher … zumindest das Ende des Traumes.

Ach und übrigens: danke für die vielen Emails wegen der verpassten Mahlzeit. Die Pasta Bolognese habe ich nun hinbekommen. Heute hatte ich übrigens Reis mit Hühnercurry vom OutdoorFoodShop zum Frühstück. Ich sage Euch: Warmes Essen ist hier wirklich DAS Highlight des Tages. Habe so sehr gehofft wieder das Genießen zu lernen … Wunsch wurde erfüllt! Die Sinne sehnen sich aber auch nach Gewürzen, nach aggressiven Düften und Geschmäckern … da wäre der Senf doch … naja

So, jetzt knipse ich spektakulär die Sonne aus. Schlaft gut!