Liebkost von einem Wal

Ok, jetzt kommt das absolute Highlight! Und ihr dachtet mehr geht nicht?! Hah! Beinahekollision, Waltänze, Delfinzirkus, in Treinnetzen verheddert, Stürme, schlimme Kreuzsee, absolute Stille, Wassereinbrüche, schwere Gewitter, Schrammen und Schmerzen, Hitze und Kälte … das alles lässt sich noch toppen? Sicher? JA! Dieses Drehbuch kennt offenbar kein Ende für mich! Was hier passier ist so unglaublich … doch seht selbst:

Wie im letzten Eintrag geschrieben, bekam ich Südwind, wurde also zurück nach Norden gedrückt. Viel schlimmer noch: Die Strömung drehte auch in Richtung Norden, womit ich wohl endgültig in einem Stömungswirbel feststecke. Das ist extrem frustrierend, kostet mich Tage. Naja, was soll ich machen. Gestern Nachmittag dann färbte sich der Horizont bitter schwarz. Ein weiteres Gewitter zog auf. Mächtig Wind, es blitze und donnerte heftig, meine Solarzellen brummten. Mitten durch. Nützt nichts. Noch weiter nach Norden. In der Nacht dann war ich durch. Befand mich auf der Rückseite des Gewitters. Der Wind drehte um 360° innerhalb einer Stunde. Ich drehte mich mit ihm im Kreis. Die See entwickelte sich bedrohlich. Die kleinen Wellen verschwanden gänzlich, größere Wellen (klar wie Glas im Lampenlicht) prallten aus allen Richtungen aufeinander und bauten Schneeberge, schaumbesetzte, spitze Wellentürme. Ich habe nun schon einige hefitge Kreuzseen hinter mir, auch über 6m. Aber das war mit Abstand das beendruckenste Wellenspiel das ich erlebt habe – wenngleich nur 3 oder 4 Meter. Einfach surreal. Ich versuchte irgendwie dem Gewitter zu folgen, vielleicht einen Nordwind zu erhaschen der in das Tiefdruckgebiet einbläst. Aber das war natütlich nicht wirklich möglich. Ich ritt also die See weiter aus. Querab begann ein wenig später erneut der Horizont zu leuchten. Nein, oder?! Noch ein Gewitter. Und es näherte sich schnell. Ich gab auf. Mit Blitzen an Steuerbord setzte ich den Sturmanker. Wenig Zug auf der Leine. Die Nordströmung, der wiedererstarke Südwind, die Kreuzsee. Wann immer der Fallschirmanker griff, hob sich das Heck aus den Wellen, schwerelos. Super Nacht also. Aber ich habe das nun schon seit so vielen Wochen durch: Ich schlief trotzdem angegurtet irgendwann vorm Sonnenaufgang ein.

Heute Morgen dann öffnete ich die Luke. Totenstille. Fast keine Wellen, fast kein Wind. Nur die Strömung wuchtete mich weiter nach Norden, wie ich schnell erkannte, wo der Fallschirmanker fast an Backbord trieb. Ich stieg aus. Die Sonne verstecke sich noch hinter einer der letzen Wolken am Horizont, aber in wenigen Minuten sollte sie die Bahn frei haben. Ich erwartete eine Gluthitze.

Und darauf wartete ich seit Wochen! Ein Tag ohne hohe Wellen, ohne 15kn oder 35kn Wind. Die Mission „Rumpfschrubben“ konnte in Angriff genommen werden. Ich richtete meine Spachtel, leinte mich an, setzte die Schwimmbrille auf und, Hand drauf!, hielt gründlich Ausguck nach Haiflossen. Hört sich albern an, aber dank der Haibesuche am Boot, fehlt es mir etwas an Leichtigkeit bei solchen Aktionen. Unter dem Schiff meine vier großen Doraden und Spotty, der Pilotfisch. Alles wie immer.

Ich klemmte die Ruder hoch an die Reling, damit ich unten durch, über die Bordwand, ins Wasser gleiten konnte. Nicht gut! Nicht wirklich kalt, aber ich war extrem angespannt. Ruhig Janice! Entspanne dich! Die Doraden in sicherem Abstand, versprach ich mir, nicht zu erschrecken, wenn sie mich berühren sollten. Weiß nicht, ich fühlte mich fürchterlich unwohl. Das Boot rollte trotz der kleinen Wellen nun doch ganz schön, vor allem wo ich wie ein Sack Kartoffeln an Steuerbord in den Halteleinen hing. Ich zog die Einstiegsleine ins Wasser. Im Training war es fast unmöglich ohne Badeleiter oder eben zumindest eine Leine mit Trittschlaufen wieder ins Boot zu kommen. Alles in Ordnung! Ich kam langsam herunter. Ist doch albern! Die unglaubliche Ruhe, die ungewöhnliche Sichtweite, ein wirklich unglaublicher Ort zum schwimmen. Ich entfernte mit der Spachtel erst einmal den Bewuchs soweit möglich ohne zu tauchen. Dann holte ich tief Luft und tauchte unter. BOOM! Und schon hatte ich mir den Kopf am Rumpf gestossen. Ah ja!, stimmt, dafür hatte ich den Helm mitgebracht! Die Sicht: misserabel!

Immer wieder der Blick hinter mich, um mich herum: Nur Doraden. Alles in Ordnung. Tauchen, schrubben, auftauchen, schnellstens die goldwerten Halteleinen ergreifen, hochziehen, Luftholen … Salzwasserschlucken. Wieder und wieder. Solange bis ich endlich alle …

PANIKMODUS!

Mit zwei, vielleicht drei Griffen ziehe ich mich vom Heck vor ans Mittelschiff. Die Spachtel, mit einer Schnurr am Handgelenk befestigt, bleibt hängen – ich reiße die Schnurr aus der Öse und mir die Haut vom Handgelenk. Ich versuche verzweifelt meinen rechten Fuss in die Schlinge der Einstiegsleine zu bekommen. Es klappt nicht. Es klappt nicht! Ich muss hier raus! Ich muss die Beine aus dem Wasser bekommen! Die Schlinge ist zu klein, oder ich bin zu hektisch. Ich weiß nicht welche Kräfte ich mobilisiert habe, aber es gelingt mir, was im Training unmöglich erschien: Ich ziehe mich mit den Armen über die Bordwand, womöglich bekomme ich einen Fuss auf die Haltleine. Die Beine müssen raus Janice! Mein einziger Gedanke. Ich kämpfe. Wuchte mich aufs Deck. Schlage mir die Rippe böse an einem Augbolzen. Breche innerlich zusammen.

Ich weiß nicht mehr. Habe nichts gesehen. Dann streift mein schlagendes Bein einen massiven Körper. Nein, keine Dorade! Hinter mir ist alles dunkel. Ein riesiger …. mein Hirn feuert: HAI, HAI, HAI … raus, raus, raus, RAUS HIER! Keine Logik, keine Analyse der Situation – nur Reflexe. Erst als die Beine aus dem Wasser sind, kommt die verspätete Angst. Schlimm. Ich dachte ich gehe drauf, ohne zu wissen weshalb. Aber sofort will der Verstand wieder beschäftigt werden. Keine Zeit für Emotionen. WAS ZUR HÖLLE?

Ich greife das Telefon, will mich mitteilen. Suche das Wasser nach dem „Hai“ ab. Und da! Ein massiver schwarzer Körper mit tiefer Finne hebt sich aus dem Wasser. Und bläst. Ich erkenne weiße tiefe Flanken, schätze die Länge etwas größer als mein Boot. Das ist kein Hai! Mein erster Gedanke: Ein Orca!! Ich rufe sofort meinen Sicherheitskordinator an, bespreche die Risiken mit dem Sturmanker, der ja immer noch mit all den Leinen im Wasser treibt. Ich weiß er sollte jetzt schnellsten raus, nicht das der Wal sich darin verheddert. Aber da der Wal direkt am Boot ist, ist das Einholen auch nicht ganz ohne. Mehr ein großes Sicherheitsproblem für mich, als für den Wal. Ich sende die Neuigkeiten an Twitter & Facebook, haha, und filme und hole den Sturmanker ein – zur gleichen Zeit.

Jetzt wo ich die Videos anschaue, die Bilder für euch hochlade, muss ich erstmal lachen. Nein, das ist kein Orca. Auch wo ich mich nun mit etwas mehr Ruhe nach wie vor schwer tue ihn exakt zu identifizieren. Vielleicht ein Sei? Minke? Würde mich freuen, wenn von euch jemand das Tier bestimmen könnte. Bitte schickt mir doch eine Email (Am Ende der Positions-/Trackingseite).

Ich denke die Situation war absolut ungefährlich. Das Tier war neugierig, ich war sehr leise, womit es näher kam. Vielleicht war das Kratzgeräusch meines Schabbers spannend, oder der abgekratzt Bewuchs lecker. Ich weiss es nicht. Mein Sicherheitskoordinator kam um einen Scherz nicht herum: Vielleicht kam der Wal nur um Danke zu sagen. Naja, etwas stürmisch. Lege ich mich nunmal mit diesem witzigen Gedanken schlafen … und bin gespannt auf den morgigen Tag. Rumpfschrubben ist nun jedenfalls erstmal abgesagt. Mein Schaber ist eh weg. Somit kann der Wind wieder kommen. Gern aus NORD!