Der Moment wo du sprachlos bist

Gibt es Neuigkeiten? Es ist so still geworden hier! Row for Silence – Mission accomplished! Aber dabei weiß ich gar nicht, wo ich überhaupt anfangen soll. Weiß aber, dass im Schweigen oft mehr zu ergründen ist, als im Schreiben. Und ich habe wahrlich genug geschrieben, oder? Nun, fange ich also am Besten gleich am Ende an, überspringe die letzten Kapitel und spare die Inhalte der Artikel aus, die in den letzten Wochen erschienen. Wem jetzt das Eine oder Andere fehlt, der kann hier nachlesen. Also …

Ich verkaufe wohl mein Boot, ziehe endlich nach Heidelberg, habe mehr als 3/4 meiner Habseeligkeiten entsorgt, mich befreit von fast allem Ballast … und ich lächle. Ich lächle zufrieden, während ich versuche die letzten Koffer zuzubekommen. Nein!, das ist untertrieben, ich bin überwältigt von mir selbst und aufgeregt, wo ich nach vorn schaue. Ich wünschte alles würde in einen Koffer passen – alles drin was ich wirklich brauche. Ganz schaffe ich das allerdings leider nicht: Auch die größten Idealisten scheitern an der Buchhaltung.

Der Ballong in dem ich saß, der ist endlich ganz geplatzt, und mit Ihm auch die Naivität, die fehlende Reife und die Oberflächlichkeit. Was habe ich über die ganze Welt gegrübelt, über Sinnhaftigkeit menschlicher Abenteuer, über spektukuläre Ziele im Leben und die Werte, die es darin zu finden gilt. Aber in Wirklichkeit habe ich da draußen, allein auf dem Ozean, keine Antworten gefunden. Dafür aber etwas ganz anderes: Andere Fragen nämlich, zu deren Kern ich an Land nie vordringen durfte. Versteckt waren sie unter all dem maskierten Unsinn, der da in einem spektakulären Fragen-Feuerwerk jeden Tag aufs Neue abgebrannt wurde. Gelöscht wurde mit einem Regen aus sinnfreien Antworten und Ablenkung durch eine (Über)Flut an Reizen, die da beständig auf mich einstürzten. Alltag eben. Jetzt schlage ich die Augen auf!

Also, von wegen weiter rudern oder noch höher klettern! Ich bin da, wo ich hin wollte, am Anfang, bin in mir selbst angekommen. Genau genommen lag das Ziel die ganze Zeit direkt vor mir. Nur die Erkenntnis traf mich wie die Axt an der Schläfe. Die letzten Neuronen feuerten noch im Kurzschlusses an der Einschlagstelle, und dann ward es Licht hinten den Augendeckeln. So gleißend hell, und es regnete fingerhutrote Farbe hinter den dilatierten Pupillen. In Panik treibt da das Herz noch einen letzten halben Liter Blut in den offenen Schädel – dann erbricht es sich mit leerem Magen in die Aorta und bleibt stehen. Here we are! Ich musste eigentlich nur umfallen, dann wäre ich genau dort gelandet, wo ich hin wollte: Auf meinen eigenen Füßen. So aber bin ich eben erstmal um die Welt gerudert und habe versucht mich selbst einzuholen. Jetzt bleibe ich erstmal liegen in diesem Rausch.

Darf man so was sagen? Klingt so etwas nicht völlig meschugge? Auch egal. Die letzten Monate im bunten Vergnügungspark des Landlebens waren, trotz aller Karusselle und Schaukeln, doch nur Achterbahnfahrten. Keine Ahnung wo es hin gehen sollte. Hoffte nur, die Schienen würden nicht irgendwann einfach aufhören und mich zurück in den üblichen Alltag oder mich -so ganz unkompliziert- einfach in den nächsten Ozean schleudern. Nein, tatsächlich war’s einfach nur eine Schleife die ich gedreht habe. Viele Schleifen. Und was für welche! Umwege also, die man manchmal gehen muss, um den Beginn eines Weges wieder zum Ziel zu machen. Solange im Kreis, bis mir übel war, bis ich dort wieder aussteigen wollte, wo ich eingestiegen bin. Und jeder Weg beginnt im Kopf. Bei sich selbst. Und in meinem Kopf ist gerade alles andere als Alltag und Stille. Ich bin überwältigt! Einfach nur überwältigt, nachdem mich die „Axt der vorübergehenden Erkenntnis“ letzte Woche voll erwischt hat. Oder anders ausgedrückt: Anstatt weiter vorsichtig an meiner Zukunft herumzuschnitzen, habe ich mich bewusst fürs Holzspalten mit der größten verfügbaren Axt entschieden – bringt schnellere Ergebnisse, auch wenn es eben mal daneben gehen kann. Es ging daneben – Ein Glück aber auch! Die Holzscheite liegen nun trotzdem hier, und auch wenn die einschlagende Erkenntnis alles umwarf woran ich mich bisher in meinem Kopf festhalten wollte, ich kann jetzt wenigstens ein großes Feuer machen und einen ganz neuen, völlig unbeschrittenen Weg ausleuchten, den ich da nie vor mir erwartet hätte. Und selbst wenn – ich hätte weder den Mut gefunden ihn zu gehen, noch hätte ich das benötigte Rüstzeug in der Hand gehalten. Ein Stück kann ich nun im Licht des Feuers gehen, mit handgezeichneten, vagen Karten in der Hand. Einige davon habe ich auf dem Meer gefunden.

Darf man also alle alten Pläne über den Haufen werfen, darf man einfach auf der Autobahn umdrehen? JA! finde ich, denn kein Weg ist es wert gegangen zu werden, wo man darauf stehen bleibt oder trotz aller optimistischen Beschilderung in die falsche Richtung fährt. Wie immer sich eine richtige oder falsche Richtung auch definieren mag. Und ich habe jetzt so einen Affenzahn drauf – in meine richtige Richtung, und ich empfinde den Pazifik als Bremse. Denn das ist er auch. Nichts als ein weiterer Atlantik. So wunderschön er auch ist.

Ich relativiere die Ruder-Reise und mich selbst, und das ist gut so! Ich möchte nicht für den Rest meines Lebens jemand sein, der „immer ganz schön zu rudern hatte im Leben“ und darüber auch noch definiert wird. Denn das war ich nicht, bin ich nicht und werde ich nie sein. Ich rudere nicht durchs Leben, ich springe hinein und klettere wieder heraus wenn es nicht tief genug ist. Versuche es im Zweifel halt an einer anderen Stelle. Ich bin dankbar für diese Erfahrung auf See, ja!, es war unglaublich und unglaublich lehrreich – aber die wirklich großen Ziele in meinem Leben, die kann ich nicht auf einem Ozean erreichen. Egal auf welchem. Man kann höchstens Anlauf dort nehmen. Vielleicht muss man das auch?! Ich bin stolz auf mich – und wie! Ich bin stolz auf diese wunderbare Kampagne deren Teil ich sein darf, dankbar für die WIRKLICH inspirierenden Menschen, die ich auf diesem Wege kennenlernen durfte. Gerade das Team von OceanCare möchte ich von ganzem Herzen hier herauspicken, stellvertretend für alle, die an mich geglaubt haben (auch schon vor Ankuft in Barbados *gr). Menschen, die sich an Ihren Idealen aufzurichten wissen, und sich dafür einsetzen. Diesen Abschnitt der Reise werde ich auch in meinem neuen Weg mit einflechten! Aber ich denke, diese drei Monate auf See waren für mich ganz persönlich auch irgendwo der dringend notwendige Entzug von Ablenkung und Common-Sense-Irrtümern auf ganz anderen Abschnitten des Weges. Und es war die längst überfällige Distanzierung von vielen Menschen am entfernten Wegrand, die lieber stillstehen und denen beim Zuschauen schwindelig wurde, von mir auf meiner Kreisbahn. Die mich für einen Esel mit einer Möhre vor dem Kopf halten. Mich muss nicht mehr jeder „nett“ finden, stellte ich fest … und ICH muss nicht mehr jeden nett finden um jeden Preis. Ich akzeptiere jeden wie er ist, wie er mich nimmt – auch wenn größere Distanzen zwischen uns liegen. Jeder darf aufzehren was er will: Geld, Träume, seinen Job, seine Familie, sogar sich selbst – ich wollte einfach nur diese Möhre! Wir sind alle nur hungrig.

Ich konnte da draußen in schlimmen Nächten meine Ängste relativieren, sehr dienlich, wenn der folgende Weg noch mehr Mut benötigte. Und wie ich jetzt weiß, war der neue Weg der gefährlichste, den ich je in meinem Leben angetreten bin. Der Ozean hat mich angebrütet, jetzt habe ich das ganze Ei zerschlagen. Wie auch immer. Solltet Ihr die Abenteuer auf dem Ozean vermissen, dann finden sich andere Menschen, die wieder und wieder darüber rudern, segeln oder paddeln. Es gibt tausende dieser Geschichten und es wird immer einen Weg geben diese neu zu erfinden. Es können Eure eigenen Geschichten werden, oder die von Menschen, die Ihr unterstützen könnt und sollt. Wir bereichern die Welt mit Anteilnahme, und ich bin Euch dankbar, dass wir zusammen die Welt bereichert haben. Nein, das ist sicher nicht naiv. Ich werde irgendwann wieder auf das Wasser zurückkehren, aber unter ganz anderen Vorraussetzungen – nicht weil es verrückt ist, nicht weil es ein weiteres Abenteuer ist, sondern einfach weil es ein Ort der Stille ist, den ich so sehr liebe, weil ich mich dort wohl fühle. Wie und womit ich wieder auf die Ozeane zurückkehre, das lasse ich erstmal offen. Mit welchen neuen Charakterstärken ich das tue, nun, ich denke das wird die spannendere Frage sein.

Einen Ozean zu Überrudern – der beste erste Schritt, den ich jemals im Abenteuer Leben wagen konnte. Sicher ein großer. Ein erster Schritt in eine Zukunft, die soviel „verrückter“ ist, als einen weiteren Ozean zu durchpaddeln. Wenn es ein Schicksal gäbe, dann hätte ich allen Grund anzunehmen, dass mein Weg mit großem Plan zum heutigen Tag abgesteckt war. Aber das ist Unsinn, ich habe einfach alles versucht und die Summe dieser Versuche liefert eine Zahl, die auch durch Eins teilbar ist. Durch mich selbst, und durch das Ganze. Wie alle anderen Zahlen auch.

Wir werden im Leben nur von zwei Dingen getrieben: Von unseren Begierden, und unseren Ängsten. Und wo wir in allem Überfluss gar nicht mehr wissen was wir wirklich begehren [begehren möchten], dann bleibt nur mehr Raum für die Angst davor endlich aufzubrechen, und wirklich mal zu suchen. Die Erfüllung im Leben liegt darin, so glaube ich, diese dünne Linie zwischen hoffentlich gleichgroßen Fronten von Ängsten und Begierden entlangzusegeln. Dieser Kurs liegt meist hart am Wind. Aber oft segeln wir nur mit Ihm, oder auch ganz vergeblich gegen ihn. Wir könnten den Spinnaker setzen und mit vollem Segel vor dem Wind ablaufen, oder wir können uns mit sturem Willen ganz ganz klein machen und uns gegen ihn stellen – wie auch immer: In beiden Fällen erreichen wir nur selten unsere Ziele, sondern meist nur die des Windes der zwischen den Fronten verwirbelt- erreichen aber mit Sicherheit wieder nur den eigenen beschränkten Horizont, an dem nur eine weitere neue Angstfront aufzieht.

Wir leben in einer unfassbaren Zeit, mit unfassbaren Möglichkeiten, in einer unfassbar schönen Welt. Aber alles was wir oft sehen, sind die Grenzen, die wir zu Fuss erreichen können. Und wir sehen den kondensierten negativen Müll, den wir mit uns herumschleppen. In den Händen und im Kopf. Und dabei sind doch die Müllsäcke alle nur aus dünner Hoffnung gewoben. Anstatt sie mit wegzuwerfen und gegen neue zu tauschen, sollten wir sie, in unserem eigenen Interesse, mal ausleeren, säubern und sammeln. Dann bleibt irgendwann vor Hoffnung kaum mehr Platz für neuen Müll. Wir haben nicht nur ein Müllproblem in unseren Ozeanen, wir haben auch eines in unseren Köpfen und Händen. Und es geht nicht um das Klugscheisser-Privileg das zu wissen, sondern es geht darum es zu begreifen. Es wirklich zu begreifen.

Wie auch immer ich in Zukunft meinem neuen Weg hier teilen werde, ich bedanke mich bei Euch, dass ihr an mich geglaubt, mit mir mitgefiebert habt. Diese Reise im Ruderboot ist zu Ende. Und es begann unlängst das nächste, viel größere Abenteuer in meinem Leben. Das Verrückteste was ich je getan habe … mal wieder. Bald werde ich 35 Jahre alt, und sehe zum ersten mal nichts anderes vor mir als Möglichkeiten und Chancen alles zu erreichen, was ich jetzt erreichen will. Das muss sich völlig naiv anhören, nein, schon klar! Sei’s drum, ich verweile gerade ein wenig auf dem Wellenkam und binde mir eine neue Möhre an die Angel. Genieße diese Freiheit, das Glück und größte innere Zufriedenheit ihr nachjagen zu dürfen. Frei, und ich meine wirklich Frei, von allen Ängsten und Sorgen die am Horizont aufziehen mögen. Ich denke ich habe den Schlüssel für mich gefunden. Und irgendwann kehrt vielleicht sogar meine wirkliche Naivität zurück …. und dann verteile ich Mülltüten mit einem Loch im Boden.

Ich bin sicher weiter aktiv auf Facebook. Erstmal weniger im Blog nehme ich an. Vielleicht ändert sich das bald wieder. Ich habe soviel zu erzählen, aber nichts davon ist im Moment besonders gut in langen Sätzen aufgehoben. Vielleicht lerne ich bald kürzer zu schreiben, oder mein Lächeln in Buchstaben zu malen, was auch im Sinne des Buches wäre. Bis dahin: Passt auf Euch auf!

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