Aber …

Ich scrolle durch meinen Social Media Newsfeed und habe heute das Gefühl, mit meinem Touchpad durch das Abflussrohr einer öffentlichen Toilette zu navigieren. Mein Macbook wird zur Gullidrohne. Jeder hat eine Meinung, und ich sogar drei – zu tausenden Dingen, über die wir nur genug Ressentiments und Vorurteile haben. Und wenn wir doch mal sprachlos sind, dann lassen wir eben eine historische Persönlichkeit, deren Namen wir wenigstens halbwegs richtig schreiben können, für uns in einem klugen Zitat sprechen. Von Averroës und Eusebius Caesaream liest man trotz Autokorrektur auffällig wenig auf Facebook. Davor und danach aber in jedem Fall ein Video posten, das die Herrlichkeit des Menschen belichtet, dann ist jeder Scheißdreck gut gerahmt. Im Zweifel, Katzenvideos, klar, die gehen immer, die sind doch so schrecklich süß, da vergißt man vor lauter Streichelnwollen wenigstens jedes SELBSTkritische Denken. Hachhh …

Im Moment geht es in den Beiträgen vor allem um Flüchtlinge aus Krisengebieten, die man nicht so gerne streicheln mag, und, ganz wichtig – das muss der Deutsche natürlich unterscheiden! – es geht auch um Wirtschaftsflüchtlinge – da wird die geistige Verstopfung noch irgendwie zum Durchfall, da kommt noch was! Da kann man sich austoben, wenn man schon nicht direkt selbst betroffen ist, oder zu beschäftigt damit, zu helfen oder zu verändern. „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber …“ Und da hat dieses garstige kleine Wörtchen „aber“ doch glatt wieder das Wörtchen „darum“ in den Charts der meistbenutzen deutschen Wörter überholt. Deutschland sucht sein Superwort.

Ich glaube ja wirklich an das Gute im Menschen, und daran, dass wir nicht grundsätzlich blöd sind, ABER …

… warum müssen diese Flüchtlinge nur nach Deutschland kommen, fragt da eine junge Frau im Kommentar. „Wir“ haben es doch auch allein und ohne Hilfe nach dem 2. Weltkrieg geschafft und alles selbst hier neu aufgebaut, stellt sie fest. Unfassbar dumm. Trümmerfrauen, überall, immer noch!

Dann trinkt eine andere Frau – diesmal wohl eine Australierin! – auf Youtube drei Liter Milch auf Ex und kotzt die auch wieder auf den Rasen. Zwei Rekorde auf einmal, Hut ab – und Recht hat sie, denn mir ist auch schon lange schlecht. Dann, krasse Typen, die den ganzen Tag nichts anderes machen, als Basketbälle auf möglichst unmögliche Weise in einem Korb zu versenken. „Awesome!“ Noch der größte Scheiß, aus dem entferntesten Winkel der Welt. Aber dann endlich Brüste! Sideboobs, Frontboobs, Entenschnuten … Trümmerfrauen, noch mehr davon! Ist wohl ein internationales Phänomen. Alles was mehr als zwei Zeilen und zwei Brüste hat, wird ohnehin nicht mehr wahrgenommen und geteilt. Aber es gibt ja Gott sei Dank noch genug zweibrüstige Frauen, die nicht mehr als zwei kluge Sätze schreiben können. Passt schon!

Und da ist er auch schon, es wurde Zeit!, der erste Buddhaspruch des Tages – der uns heute davor warnen soll, dass ein großer spiritueller Frequenzwechsel im Universum ansteht und wir bloss bereit dafür sein sollen. Und ich bin bereit, denn es ist mir inzwischen völlig egal, auf welcher Frequenz wir uns selbst und die anderen einfach nicht mehr verstehen können.

Wir brennen uns darin aus, uns und unsere Meinung mitzuteilen und jede andere Meinung im Kopf oder Kommentar mit uns selbst zu garnieren – dann bleibt wenig Energie für Veränderung. Mitteilungs-Burn-Out! Früher war dafür die Bushaltestelle oder der Stammtisch da, das waren immer nur ein paar Minuten. Aber da hat auch noch jemand zugehört, man hat selbst einfach mal NUR zugehört! Das Internet ist heute leider immer, und ist überall und ist ignorant und taub. Ignoranz ist eben doch keine Option im digitalen Zeitalter, die Flut an geistigem Dünnschiss reißt auch die irgendwann mit weg, die sich die Augen und Ohren zuhalten. Zuviel Dummheit und Ignoranz betrifft uns am Ende doch wieder alle, und irgendwann ganz akut.

Geistige Umnachtung, schon 10 Uhr morgens. Ich geh kotzen … ABER richtig.