Die Offenbarung

Sie wollten es nicht erkennen.
Dabei war ihr Nichtwollen
am Ende auch ein Nichtkönnen, –
denn hätten sie es erblickt,
so, wie es wahrlich ist,
da hätten sie unmöglich vermocht,
nur eine einzige Stunde so weiter zu leben.
Hätten sie die Welt erfahren,
die sie aus dieser Welt gemacht hatten –
hätten sie ihre reiche Seele erkannt,
in dem gekrümmten Leib eines Bettlers,
zu dem sie herangezogen wurden –
hätten sie die anderen Seelen gesehen,
die sie überall vergessen hatten,
mit den ungetrübten Augen ihrer Kinder,
da hätten sie diese als Seher
nicht einfach nur in Schulen gesperrt,
um sie das Leben zu lehren,
sondern sie auch zu Königen gemacht.
Auch wäre ihnen ein eisiges Erwachen
durch die Glieder gefahren,
wo sich ihnen offenbarte,
dass sie bisher kaum einen Tag
wirklich gelebt und geliebt hatten;
dass sie Gefühle in den Himmel hoben,
die eigentlich der Grund und Boden sind,
auf dem eine Seele wandeln sollte.
Sie idealisierten, wie sie entwerteten,
sie bedachten ebenso, wie sie vergaßen,
sie richteten und richteten damit ihre Seele hin;
sie waren derart zerfahren,
dass sie selbst ihren alten Propheten
ihre kleine Schattenwelt überstülpten.
Sie fuhren hinab ins Vergessen,
und kaum einer stieg mehr empor ins Licht.
Zu Gott hatten sie sich selbst erklärt,-
die Demut war überheblichem Stolz gewichen,
und einem Wahndenken und Wahnwirken.
Sie fuhren bequem und sicher,
auf breiten Wegen ins fortschrittliche Nichts,
und kaum einer schnürte sich mehr die Schuhe,
um einen anderen Weg zu ergründen, –
kaum einer legte sich mehr ins Gras,
um das Wunder des Augenblicks zu erfahren.
Sie knieten nieder, um zu beten und zu bitten,
für morgen, für übermorgen, fürs nächste Leben,
doch nicht mehr, um sich zu bedanken.
Und selten bat da einer um Vergebung,
und schwieg und öffnete sein ganzes Herz,
auf dass es sich ausschütten konnte.
Vermag doch das Herz erst
in der nachfolgenden Stille wieder
die eigene Stimme zu vernehmen,
die den wahrhaftigen Weg weist …
und die uns darin ermahnt,
endlich wieder frei und aufrecht,
– in der ganzen Größe unserer Seele! –
zu stehen und fortzuschreiten.
Doch sie sahen und sie hörten nichts,
nicht mit den Augen, nicht mit den Ohren,
denn das Herz blieb verschlossen.
Alles was ihnen noch erschien, war das Licht
in ihren Träumen und begrenzten Vorstellungen.
Sie sahen alles, doch sie sahen nichts.
Und nur wenige waren es, denen das
nicht genügte, – die sich weigerten
ganz zu erblinden und zu ertauben.